NACHHALTIGE VERKEHRSENTWICKLUNG

Wien - Bratislava - Györ

Thomas Macoun und Florian Welzig

1 Einleitung

Die Region Wien-Bratislava-Györ ist auf Grund ihrer geopolitischen Lage immer ein weit reichendes Zentrum gewesen, das sich nun - nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Ausbau der Europäischen Union wieder zu einem Knotenpunkt Mitteleuropas entwickeln soll.

Dieser Prozess beinhaltet Veränderungen der Raum- und Verkehrsstrukturen, die von den beteiligten Regionen durch bestmögliche Zusammenarbeit im Sinne der Nachhaltigkeit zu gestalten sind. Da das Verkehrssystem durch seine funktionsverbindende und raumverbindende Funktion sowohl Auswirkungen auf die ökonomischen und ökologischen Gegebenheiten, aber auch gesellschaftliche Auswirkungen nach sich zieht, bedeutet jede Maßnahme im Verkehr auch Auswirkungen in den genannten Bereichen. Nachhaltige (d.h. ökonomische, ökologische, soziale) Verkehrsentwicklung erfordert daher zunächst die Sicherung einer nachhaltigen Siedlungsstruktur und die Abwicklung des Verkehrs mit Energie schonenden Verkehrsmitteln.

Dabei sind folgende Grundsätze - die sich aus Prinzipien der Natur ableiten lassen - besonders bedeutend:

  • Kooperation (z.B. Verkehrsverbünde)
  • Vielfalt (Chancengleichheit, Vielfalt von Verkehrsarten)
  • Maximale Effizienz bei minimalem Energieeinsatz
  • Abgeschlossene Stoffkreisläufe (Recycling, Abgase, Lärm, etc.)
  • Selbstkontrolle (Kontrolle unkontrollierten Wachstums durch Rückkoppelungen)
  • Komplexe, lange Lebenszyklen
  • Hoher Informationsgrad
  • Regionalisierung

2 Überörtliche Verkehrsstrukturen - Donaukorridor

Im Hinblick auf eine EU-Erweiterung ist mit einer erhöhten Personen- und Güterfrequenz zu rechnen, da vor allem die wachsende Wirtschaft der an die Wiener Region angrenzenden Länder zu einem stetigen Personen- und Warenaustausch führen wird. Um in diesem Zusammenhang eine umweltschonende, ausgewogene Verkehrsentwicklung zu gewährleisten, ist eine Verteilung des Gütertransportes von der Straße (diese Achse ist zweitstärkste im internationalen Straßengüterverkehr) auf die Donau, vor allem im kombinierten Verkehr, sowie auf die Schiene anzustreben.

2.1 Wasserstraße

Die derzeitige Transportmöglichkeit der Wasserstraße ist zu ca. 92% ungenützt, wie auch der Anteil der Donau am gesamten Güterverkehrsaufkommen unter 10% liegt, trotz besserer Energie- und Ökobilanz der Schifffahrt im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern. Entsprechende Kapazitäten und Umschlagtechniken der Häfen Preßburg und Györ neben dem Wiener Hafen sind daher erforderlich, ebenso die funktionierende Anbindung an das Schienen- und Straßennetz. Darüber hinaus könnte im (touristischen) Personenschiffverkehr auf der Strecke Wien-Bratislava das Tragflügelboot mit einer Fahrzeit von nur einer Stunde eine attraktive Verkehrsvariante zur (bestehenden) Straße und Schiene bieten.

Zur Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Wasserstraße sind daher - um konkrete Schritte zu setzen - einerseits die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen bzw. der derzeitige Status quo zusammenzufassen, andererseits die entsprechenden Zielsetzungen zu definieren.

2.2 Schiene/Straße

Der Modal Split im Güterverkehr zwischen Straße und Schiene ist, nach Nachhaltigkeitsgesichtspunkten betrachtet, in Ungarn und der Slowakei wesentlich günstiger als in den EU-Ländern. Allerdings verlieren die Bahnen laufend an Marktanteilen, weshalb sie durch ordnungspolitische Maßnahmen gestützt bzw. die Rahmenbedingungen entsprechend geändert werden müssen. (Die derzeitigen Strukturen entstehen z.B. durch relativ billige Transportkosten im Straßenverkehr; diese Rahmenbedingung kann sich jedoch relativ schnell durch Verknappung von Rohöl ändern.)

3 Lokale Entwicklungen

Im Personenverkehr bereitet insbesondere die Entwicklung des Motorisierungsgrades (Pkw/1000 Einwohner) sowie des Modal Split (=Anteil der Verkehrsarten) aus Nachhaltigkeitsgründen Sorge. Die Zugänglichkeit zu den verschiedenen Verkehrssystemen spielt dabei eine große Rolle. Wer den Parkplatz unmittelbar beim Haus (oder Arbeitsplatz) hat, die Haltestelle des öffentlichen Verkehrs jedoch in 300 Meter Entfernung (oder mehr), wird sich in vielen Fällen für das Auto entscheiden. Im Personenverkehr spielen daher insbesondere die Entwicklungen im Siedlungsbereich (z.B. Siedlungsdichten) eine wichtige Rolle, weil die gesamte individuelle Wegekette berücksichtigt werden muss.

Die lokalen Entwicklungen der Siedlungsstruktur müssen möglichst den Prinzipien der Funktionsmischung (Wohnen, Arbeiten, Erholen, Einkauf) folgen. Auseinander fallende Funktionen wie z.B. Einkaufszentren an Stadträndern führen zu hohen Fahrleistungen im Pkw-Verkehr.

Die Auswirkungen falscher Strukturentwicklungen und Prioritätensetzungen können den Entwicklungen im Verkehrssystem entnommen werden (siehe unten).

Abb 1: Entwicklung des Motorisierungsgrades in den einzelnen Ländern

Quelle: Statistisches Handbuch der Republik Österreich

Gleiche verkehrliche Rahmenbedingungen vorausgesetzt, werden sich gleiche Verhaltensweisen und damit gleiche Motorisierungsgrade in den verschiedenen Ländern einstellen. Aus den Differenzen der Motorisierungsgrade zwischen Österreich und Ungarn/Slowakei ergeben sich daher die Potentiale der zukünftigen Entwicklung.
Abb. 2: Entwicklung des Modal Split in Wien sowie gewünschter Modal Split im Jahr 2010

Quelle: Stadtentwicklungsplan für Wien (STEP 94)

Die Motorisierungsgrade und der Modal Split zeigen üblicherweise ähnlich verlaufende Entwicklungen. Sie hängen von den Rahmenbedingungen, insbesondere den Siedlungsdichten ab. In Städten liegen (abhängig von ihrer Größe) meist wesentlich niedrigere Motorisierungsgrade und ein anderer Modal Split als im Umland vor. Die Zielsetzungen Wiens sowie die Potentiale der Umsetzung in diesem Bereich können den Graphiken entnommen werden.
Abb 3: Möglichkeit der Reduktion von Fahrten

Quelle: Stadtentwicklungsplan für Wien (STEP94)

4 Forderungen und Zielsetzungen

4.1 Verkehrspolitische Rahmenbedingungen

  • Abstimmung von Siedlungsstruktur und Verkehrsinfrastruktur
  • Der günstige Modal Split (hoher Anteil des Öffentlichen Verkehrs) in den östlichen Ländern muss genutzt werden, um die zu erwartenden Verkehrsströme durch den forcierten Ausbau des Schienennetzes künftig vorwiegend auf öffentliche Verkehrsmittel zu lenken
  • Fehlende Anlastung der Kosten für die Infrastrukturbenützung
  • Fehlende internationale und regionale Abstimmung in Bezug auf Infrastrukturausbau, betriebliche Parameter wie Tarifgestaltung, Überwachungen, Kontingente etc.

4.2 Verkehrspolitische und siedlungspolitische Zielsetzungen

  • Förderung umweltfreundlicher Verkehrsträger (Schienen- und Wasserwege, Umschlagterminals etc.)
  • Faire Anlastung der Kosten für die Infrastrukturbenützung (externe Kosten, Kostenwahrheit)
  • Harmonisierung der regionalen Bedingungen
  • Festlegung internationaler Transitkontingente und Verkehrstarife
  • Abstimmung des europäischen Verkehrswegenetzes/Trans-European Transport Network-(TEN) mit den Ländern von Zentral- und Osteuropa (CEE-Staaten) durch Transport Infrastructure Needs Assessment (TINA)
  • Leistungsverbesserung der Schiene (multimodale, integrierte Verkehrssysteme)
  • Rhein-Main-Donau-Kanal soll mind. 10% des gesamten grenzüberschreitenden Güterverkehrs übernehmen (ganzjährige Schiffbarmachung, Beseitigung der drei zerstörten Donaubrücken bei Novi Sad)
  • Aufwertung von Siedlungsgebieten entlang leistungsfähiger öffentlicher Verkehrsmittel
  • Ausbau des "kleinen" Grenzverkehrs um stabile Regionen zu erzeugen

4.3 Verkehrspolitische Maßnahmen

  • Umschlagplätze (Häfen und Länden) müssen intermodal für Massen- und Stückgüter ausgestattet und nutzbar sein
  • optimale Transportkette vom Verlader zum Empfänger (Tür-zu-Tür-Transport)
  • gemeinsame Marketingstrategien der Reedereien, Eisenbahngesellschaften u.s.w.
  • Verbesserung der logistischen Infrastruktur
  • Harmonisierung der regionalen Bedingungen
  • Förderung des kombinierten Verkehrs
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