INDUSTRIEBRACHEN AM PASSAUER DONAUUFER

Historie und Zukunft alter Häfen in Passau

Gabriele Bene

Die Gunst der Lage an drei Flüssen, Donau, Inn und Ilz, ist in der Entwicklungsgeschichte von Passau wirtschaftlich, verkehrstechnisch und strategisch ausgenutzt worden, wenn gleich diese Standortfakto-ren mit der Zeit ihre Berechtigung verloren haben. Dadurch liegen in der Hafenstadt umfangreiche Areale und Flächen brach, die bislang als Umschlag-, Speicher-, Kontroll-, Werftgelände oder als Wasserbauwerke genutzt wurden.

Diese Abhandlung zeigt die Chronologie des Baugeschehens (Entstehung, Abriss der Ländeanlagen, Lagerhallen und Umschlageinrichtungen) für zwei Uferzonen im Stadtbereich von Passau zwischen der Mitte des vorigen Jahrhunderts und dem Beginn des neuen Jahrtausends.

Donaulände im Altstadtbereich

Bis zum Jahr 1852 gab es in der Passauer Altstadt hinter dem durch Häuserfronten und Wehrmauern geschlossenen mittelalterlichen Baukörper kein fortlaufendes Ufer, das zum Landen von Schiffen ge-eignet war. Nur hölzerne Uferbefestigungen (Bschachte) boten den Schiffern und Fischern Landemög-lichkeiten. 1852 ließ die königliche Bauinspektion einen Damm bauen, welcher auf der Inn- und Do-nauseite die ganze Stadt umgab.

Der Bau einer Umschlaganlage wurde volkswirtschaftlich erst dann sinnvoll, als Passau 1860 an das Eisenbahnnetz angeschlossen wurde und dadurch der Warenumschlag überregional stattfinden konnte.

Ab 1860 fand der Ausbau der oberen und unteren Donaulände zum Umschlaghafen statt. Für den Anschluss der Hafenbahn an das Eisenbahnnetz musste der Donau Raum abgerungen werden. Dazu wurde ein kleiner Damm zunächst nur bis zum damaligen Pulverturm, dem so gen. Palkenstein, der unmittelbar an der Donau stand, aufgeschüttet. Da sich die Zwischenlagerung der Frachtgüter als unumgänglich erwies, errichtete die damalige Staatsbahn 1870 ein erstes Lagerhaus (Schanzel). Nachdem 1870 der Pulverturm beseitigt wurde, konnten die Gleisanlagen bis zur alten Donaubrücke (Maxbrücke) weitergeführt werden. Dies geschah 1877/78. Ein beweglicher Dampfdrehkran sowie ein feststehender Kran standen ab 1877 dem Umschlaghafen zur Verfügung. Zu jener Zeit hatte Passau als Hafenstadt eine wesentlich größere Bedeutung als Regensburg, weil Passau nicht nur Umschlag-platz, sondern auch Grenzstation war. Die Lände wurde bis 1925 von der Zollbehörde verwaltet.

1881 - trotz Einspruch der "Adjazenten" (Anrainer), die um den freien Zugang von ihren Häusern zur Donau bangten - errichtete die Hafenverwaltung (in Händen des Zolls) einen Zollhof. Der Bevölkerung, die stark auf das Donauwasser angewiesen war, ging die Zugänglichkeit des Uferbereichs verloren, Brunnen im Stadtbereich wurden damit notwendig (Brunngasse). Der Umschlagbetrieb erfuhr inner-halb kurzer Zeit solchen Aufschwung, dass auf dem Hafengelände große Enge

herrschte. Der Finanzausschuss der Stadt nahm sich der Not der Schifffahrt an und beschloss 1889, Mittel zur Anlage einer Kaimauer zu bewilligen, die das Areal zur Donau hin vom bestehenden Ufer aus um 30 m verbreiterte. 1894 wurde eine etwa 800 m lange Betonmauer, verkleidet mit Zyklopen-mauerwerk, von der St.-Johannes-Spitalkirche bis zur Schlosserstiege fertiggestellt. Nun konnte 1896 der Bau des Lagerhauses der DDSG ausgeführt werden, dem weitere Lagerhäuser folgten.

Der Erste Weltkrieg (1914-1918) brachte dem Passauer Hafen erhöhtes Verkehrsaufkommen und vermehrten Umsatz. Auch nach dem Krieg gewann der Hafen durch die Reparationslieferungen der besiegten Mittelmächte an die Länder der Entente Aufschwung. Schifffahrt und Wirtschaft forderten die Verlängerung der Hafenanlage nach Osten hin, womit der Abbruch des Höllgassenviertels bis zum Rathausplatz verbunden gewesen wäre. Es entstand schon damals ein Kampf der einzelnen Interes-sen.

Der Bau des Kachletstauwerkes 1922-27 löste dieses Problem. Durch den Bau des Stauwerkes wurde die bis dahin bei Niedrigwasser und Eis schwer befahrbare Donaustrecke oberhalb Passaus hinder-nisfrei und ein großer Teil des Güterumschlages verlagerte sich nach Regensburg. Der Umschlag in Passau wurde rückläufig und der Abriss der Höllgasse überflüssig.

Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, Mai 1946, bildete Passau einen Fluchthafen. Die deutsche Wirtschaft fing bei Null an, und so blieb auch der Umschlag in den folgenden Jahren bescheiden. Soweit in Passau überhaupt noch Umschlag stattfand, verlagerte sich dieser in den Racklauhafen, der sich ab 1904 parallel zur Donaulände entwickelte. Überlegungen zur innerstädti-schen Verkehrsentwicklung machten zudem deutlich, dass die alte Maxbrücke mit ihren Zufahrten dem steigenden Verkehrsaufkommen auf Dauer nicht gewachsen und eine leistungsfähigere Brücke mit entsprechend dimensionierten Auffahrtsrampen erforderlich sein würde. Der langsame Tod des Passauer Hafens begann 1960 mit dem Abbau der Gleisanlagen und zog sich über 18 Jahre hin. Ab 1970 rollte der Verkehr über die neue Schanzlbrücke, und zugleich begann der Abbruch der Maxbrü-cke. 1978 wurde das letzte Gebäude des Hafengeländes abgerissen.

Damit war die Donaulände frei, um sie gänzlich umzugestalten, nachdem bereits 1953 eine völlige Neugestaltung der Straße und des Ufers unterhalb der Umschlaglände durchgeführt worden war. Die Donaulände wurde zwischen neuer Schanzlbrücke und Schlosserstiege um 1,5 m angehoben und ein Fußgängerbereich mit bescheidenen grünen Inseln angelegt. Trotz des entfallenden Güterumschlags erfüllt dieser Bereich entlang der Altstadt bis heute noch die Funktion einer Schiffslände. Mit dem Ausbau des Rhein-Main-Donau-Schifffahrtsweges erfährt die Personenschifffahrt seit 1992 einen bis heute anhaltenden Aufschwung. Aus diesem Grund wird der Ausbau der Schiffslände zu einer Fahr-gaststation erster Ordnung mit nationalem und internationalem Passagierschiffsverkehr angestrebt.

Mit der Übernahme des Ländebetriebes durch die Stadtwerke Passau im Jahre 1993 wurde die Ent-wicklung der Lände zur Aufgabe des jeweiligen politischen Entscheidungsträgers mit Sinn für eine vorausschauende Stadtentwicklung. Die vorliegenden Planungen (1999) haben das Ziel, eine den heutigen funktionalen Anforderungen gerecht werdende attraktive Lände für Einheimische und Touris-ten zu schaffen. Neben der Bewältigung steigender Landungszahlen im Bereich der Kabinenschifffahrt ist die Untere Donaulände auch der einzige Anlaufpunkt für den Bustourismus in Passau. Eine Neu-gestaltung ist besonders auch vor diesem Hintergrund wichtig, da der Bustourismus einen erheblichen Anteil der jährlich 1,2 - 1,3 Mio. Touristen in Passau ausmacht. Da dieses Areal den ersten Eindruck von Passau und seiner Altstadt prägt, ist eine ansprechende Gestalt von enormer Bedeutung, damit Passau auch nachhaltig positiv in Erinnerung bleibt. Durch die Neuorganisation der vorhandenen Ver-kehrsflächen, verbunden mit einem straffen Busmanagement an der Unteren Donaulände, soll ausrei-chend Platz geschaffen werden, um eine ansprechende Promenadengestaltung am Uferbereich zu erzielen. Die Untere Donaulände ist ein Knotenpunkt, der neben Anlaufstelle für Schifffahrts- und Bus-touristen auch eine Torsituation für den Zugang in die

Passauer Altstadt darstellt. Zahlreiche Nutzungsansprüche müssen also befriedigt werden, was die Lösung dieser Aufgabe zum einen sehr schwierig, zum anderen aber auch sehr reizvoll macht.

Winter- und Umschlaghafen Racklau

Mit der Auflassung des Hafenbetriebs an der Donaulände im Jahr 1960 gewann der Winter- und Um-schlaghafen Racklau an Bedeutung. Der Hafen war um 1900 durch Aufschüttung eines Damms zwi-schen rechtem Donauufer und der Insel Racklau (benannt nach ihrem Besitzer Johann Rackl) als Winter- und Schutzhafen entstanden. Mit der Errichtung von Gleisanlagen und Lagerhäusern mit Zoll-abfertigung wurde er im Laufe der Jahre zum Umschlaghafen ausgebaut.

Das Schicksal, das in den 60-er Jahren die Donaulände im Altstadtbereich ereilte, traf 30 Jahre später auch den Racklauhafen. Stagnierende Umsatzzahlen und veränderte Transportformen (Verladung von Sattelschlepperauflegern auf entsprechende Schiffe, der so gen. Ro-Ro-Schiffsverkehr) führten zur Aufgabe des Standorts als Umschlaghafen. Seit 1983 wird in Schalding r. d. D. am Ausbau eines Industriehafens gearbeitet, dessen geordnete Entwicklung im Hafenentwicklungsplan von 1997 fest-geschrieben ist.

Das Schicksal des Winter- und Umschlaghafens Racklau liegt in den Händen der Hafenverwaltung Regensburg. Ein Grundstückskauf durch die Stadt Passau ist bis heute nicht zustande gekommen. Der ortsfremden Verwaltungsstelle lag mehr die Funktionalität des Geländes als die Erhaltung von Passauer Geschichtsdenkmälern am Herzen. So begann 1991 das Vernichtungswerk. Alle bestehen-den Lagerhäuser und Silos wurden abgebrochen, auch das unter Denkmalschutz stehende Bayeri-sche Lloyd-Gebäude. Der historisch gewordene ortsfeste Kran wurde ebenfalls entfernt.

Es können also für künftige Planungen keinerlei historische Bauwerke integriert werden, die einer neuen Nutzung zuzuführen wären. Derzeit wird das Hafengelände lediglich als Leichterhafen genutzt.

Die Nähe des Standortes zum Stadtbereich und die Besonderheit des Ortes sind Anlass für Überle-gungen und Planungen, um für den Hafenbereich Racklau zukünftige Nutzungen aufzuzeigen. Neben Vertretern aus dem Bereich Stadtentwicklung haben auch auswärtige Universitäten und Fachhoch-schulen Beiträge ausgearbeitet:

  • TU München, Diplomarbeit 1989
  • TH Darmstadt, städtebaulicher Entwurf 1991
  • FH Regensburg, Semesterentwurf WS 1995/96

Im Stadtentwicklungskonzept von Passau wird eine vielfältige Nutzung angestrebt, nämlich die attrak-tive Kombination aus Wohnen, Arbeiten und Erholung. In der flussaufwärtigen Nachbarschaft der Insel Racklau wurde 1998 der Rahmenplan "Auerbach" erstellt. Er enthält ein Entwurfskonzept für eine Wohnbebauung zwischen Uferbereich und Regensburger Straße mit Vorschlägen zum Sichern und Verbessern der Naherholungsfunktion des Uferbereichs.

Am Festland, der Halbinsel Racklau gegenüber, entwickelte die Stadt Passau 1999 ein Bebauungs-konzept für den Geländestreifen zwischen Donauufer, Regensburger Straße und Bahngelände mit Bushaltestellen für den Citybus, 130 Park-and-ride-Stellplätzen für Pkw, 10 Park-and-ride-Stellplätzen für Wohnmobile, 15 Stellplätzen für Reisebusse sowie Flächen für Wertstoffhof, Reifendienst, Tank-stelle und Fast Food.

Die Halbinsel Racklau ist für Passau deshalb von so enormer Wichtigkeit, da sich im Laufe der Zeit, bedingt durch verkehrstechnische Bauten, die Zugänglichkeit zur Donau immer mehr verringert hat. Die Chancen auf diesem Areal würden der Stadt Passau eine Möglichkeit bieten, das atmosphärische, kulturelle, wasserorientierte Erholungspotential der Donau zu nutzen. Dafür sprechen folgende Vortei-le der Insel:

  • Durch das über Jahrhunderte andauernde Flächenwachstum von Passau liegt die Insel mit ih-rer Dammanbindung ans Festland im Randbereich der Passauer Kernstadt. Dieser Faktor muss besonders für die zukünftige Entwicklung betrachtet werden.
  • Erschließung, technische Versorgung, Abwasserentsorgung, verkehrstechnische Anbindung und Bebaubarkeit sind vorhanden.
  • Durch die geschichtliche Entwicklung sind stadthistorische Bezüge in baulicher und gedankli-cher Hinsicht gegeben.
  • Die Nähe des Standortes Racklau zum Stadtbereich ermöglicht in einer Epoche der "Zeit-knappheit" mit geringem Freizeitbudget einerseits schnelle Erreichbarkeit, andererseits Ver-ringerung des umweltbelastenden Freizeitverkehrs.
  • Neben der bestehenden Radwegverbindung zur Altstadt wäre auch eine Schifffahrtslinie zum Rathausplatz denkbar.
  • Die Insel Racklau könnte einer Mehrfachnutzung zugeführt werden:
  • Eine bunte Mischung aus Landinstallationen auf der Insel, anliegenden Schiffen, Frachtern, Pontons mit Aufbauten, die Raum für Kultur und Tourismus bieten.
  • Nautisch-infrastrukturelle Einrichtungen für (muskelbetriebenen) Wassersport.
  • Schaffung von neuen Spiel- und Erlebnisräumen für Kinder und Jugendliche, sowie für die Bevölkerung aus dem dicht bebauten, grünflächenarmen, schattigen Altstadtbereich.
  • Schaffung einer Grünoase mit Erholungswert in Altstadtnähe, auch ohne Auto erreichbar.

Doch in der Praxis haben sehr oft andere Ziele Vorrang. Nichtsdestotrotz wächst das Streben nach ökonomischer, ökologischer, sozialer und nachhaltiger Lösung von Problemen. Es wird zum Anliegen des stadtentwicklungspolitischen Handelns, für die künftige Generation ein Potential an Lebensqualität zu hinterlassen, wie wir es vorgefunden haben.

Natürlich ist die Kulturstadt Passau abhängig von ihrer finanziellen Lage. Die bauliche Entwicklung der Stadt muss für diesen urbanen Uferbereich allerdings Nutzungskonzepte entwickeln, um den ange-dachten Profitbau zu vermeiden. Es wäre wünschenswert, wenn Medien und Politiker diese Zielset-zung verstärkt unterstützen würden. Es müsste ein Strategieplan entwickelt werden, welcher der Poli-tik, der Verwaltung und dem Bürger klare Orientierung für den Uferbereich gibt. Dieser Strategieplan wäre auch eine Einladung an engagierte PassauerInnen mit ihrer Kreativität und Kompetenz an der Entwicklung der Insel und ihres Umlandes mitzuarbeiten.

Der Fall „Racklau“ ist kein Sonderfall. Ähnliches gibt es in anderen europäischen Städten. Zusam-menarbeit, gemeinsamer Austausch und ein Vergleich der angestrebten Ziele bieten sich deshalb an. Dieses gemeinsame Streben ist eine grundlegende Forderung des „BRIDGE-Projektes“. Aus diesem Grund steht auch als übergeordnetes Ziel die Entwicklung eines gemeinsamen Leitbildes für den Do-nauraum im Vordergrund durch Aufbau und Ausbau eines Städtenetzwerkes zwischen Universitäten und städtischen Ämtern entlang der Donau von Deggendorf bis Budapest.

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