HOT SPOTS
Neue Ufer in den Städten, Beitrag Wien
Hugo Potyka
Das Projekt "Hot Spots - Neue Ufer in den Städten" wurde im Rahmen des Gesamtprojekts "BRIDGE" entwickelt, das sich mit der Entwicklung der Städte am Donaustrom unter den Bedingungen der Nachhaltigkeit befasst. Zum BRIDGE-Teilprojekt "Neue Ufer" haben folgende Städte Beiträge vorgelegt: Deggendorf, Passau, Linz, Krems, Bratislava und Budapest. In Wien schien nach den umfangreichen Neugestaltungen der letzten Jahrzehnte zunächst kein Veränderungsspielraum für weitere "Neue Ufer" zu bestehen.
Wiens Donauufer
Die Stadt Wien lag durch Jahrhunderte nur an einem Nebenarm der Donau dem heutigen Donaukanal. Der Donaustrom mit seinen vielen mäandrierenden Armen und den immer wieder überschwemmten Auen und Uferbereichen trennte die Stadt von den späteren transdanubischen Entwicklungsgebieten. Durch die Donauregulierung im 19. Jahrhundert konnten die Stadtteile zwar näher aneinander rücken, von der Donau blieben sie jedoch getrennt: linksufrig durch ein breites Überschwemmungsgebiet, das Abstand für stabile Nutzungen schaffte, und rechtsufrig durch Lager- und Ländeflächen mit einer begleitenden Bahnlinie und einer Lastverkehrsstraße, dem Handelskai, so dass hier die Stadt dem Strom nur eine Rückseite zeigte.
Erst in den letzten Jahrzehnten rückte die Stadt näher an den Strom. Im ehemaligen Überschwem-mungsgebiet entstanden ab Mitte der 70er-Jahre ein Entlastungsgerinne - die "Neue Donau" - und die hochwassersichere "Donauinsel", ein rund 20 km langes Erholungsgebiet in zentraler Lage, mit U-Bahn- und S-Bahnlinien erreichbar. Neben den neu geschaffenen Ufern der Neuen Donau wurden die Ufer des Stroms von der nördlichen Stadtgrenze bis in den Bereich der Häfen Freudenau und Lobau fast zur Gänze neu gestaltet: zunächst im Zuge der Arbeiten zu einem "Totalen Hochwasserschutz" und ab Mitte der 80er-Jahre in leicht modifizierter Form im Zuge der Stauraumgestaltung für das neu errichtete Kraftwerk Freudenau.
Kurzfristig war daher in Wien in den städtisch geprägten Uferbereichen der Donau ein Veränderungsspielraum zunächst nur in den Bereichen der Uferbahnhöfe der Österreichischen Bundesbahnen am rechten Ufer auszumachen.
Testbereiche für "Neue Ufer"
Im Zuge von Vorgesprächen mit Vertretern des Magistrats, der Österreichischen Bundesbahnen und anderer Dienststellen wurden schließlich vier Testbereiche ausgewählt, in denen Ufergestaltungen unter den Bedingungen der Nachhaltigkeit studiert werden könnten:
- Der Bereich des Brigittenauer Sporns am Absprung des Donaukanals vom Donaustrom
- Der Bereich des ehemaligen Brigittenauer Bahnhofs
- Der Bereich des Donauuferbahnhofs oberhalb der Reichsbrücke
- Der Bereich vor dem Wiener Stadion mit der Marina Wien
In allen Bereichen ist ein Gewinn von zusätzlichen Flächen für (nachhaltige) städtische Nutzungen möglich. Diese Flächen eignen sich aus unterschiedlichen Gründen zur Darstellung der Probleme und Lösungsmöglichkeiten, die in "BRIDGE - Lifeline Danube" thematisiert werden: Gebiete mit teilweise hoher Standortgunst und entsprechendem Nutzungsdruck (für Nutzungen aller Art) einerseits und Notwendigkeit einer nachhaltigen oder zukunftsbeständigen Stadtentwicklung andrerseits.
Anhand der konkreten Beispielgebiete soll gezeigt werden, wie eine geplante Entwicklung von Gebieten, auf denen ein Nutzungsdruck liegt, unter Einhaltung der Prinzipien der Nachhaltigkeit erfolgen kann.
Internationaler Studentenwettbewerb
Die Bearbeitung der Testgebiete sollte nun in Form eines internationalen Studentenwettbewerbs im Sommersemester 2001 erfolgen.
Als Bearbeiter waren eingeladen: Studenten der Architektur, der Raumplanung oder der Landschaftsplanung von Universitäten jener Städte, die am Mutterprojekt "BRIDGE - Lifeline Danube" teilnehmen.
Für die Wiener Beispielsbereiche sollten Nutzungsvarianten untersucht werden. Darüber hinaus waren mögliche Verbesserungen der in den letzten Jahren neu gestalteten Uferbereiche in die Überlegungen mit einzubeziehen. Vorschläge sind auch für die Anbindung der Bereiche an das Hinterland zu erarbeiten.
Planungsverfahren
In einem Workshop "Wasser in der Stadt" am Beginn des Sommersemesters 2001, an dem neben Vertretern der beteiligten Dienststellen, der Bezirke und Lehrpersonen auch interessierte Studenten teilnahmen, wurde die Aufgabenstellung präzisiert.
Anschließend begannen die Studenten (teilweise in Gruppen) mit ihren Bearbeitungen, wobei die Betreuung durch Lehrpersonen und Vertreter der beteiligten Institutionen möglich war.
Im Mai 2001 wurden in einem einwöchigen Planungsseminar die Arbeiten vorgestellt, kritisiert und, unterbrochen durch allgemeine Diskussionsphasen, inhaltlich festgelegt.
Sodann konnten die Studentengruppen innerhalb von sechs Wochen ihre Bearbeitungen publikationsfähig finalisieren.
Zum Zeitpunkt der Endredaktion dieses Berichtsstanden noch die Beurteilungssitzung mit einer endgültigen Bewertung der Arbeiten und die Formulierung von Empfehlungen an die Stadt Wien aus.
Durchführung
Das Verfahren wurde vom Österreichischen Ingenieur- und Architektenverein gemeinsam mit Instituten der Universität für Bodenkultur und der Technischen Universität Wien durchgeführt.
Es waren bescheidene Preisgelder oder Aufwandsentschädigungen für die studentischen Teilnehmer vorgesehen.
Zum Begriff Stadtentwicklung
Zur Diskussion stehen "Geplante Entwicklung" oder "Anpassungsplanung" an spontane Entwicklung oder - anders gefragt - wie kann der Widerspruch zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und politischen Zielen und der täglichen Praxis der Stadtentwicklung aufgehoben werden.
Übrigens ist auch spontane Entwicklung geplant, jedoch von individuellen Interessenten, oft ohne Berücksichtigung der Anforderungen der Allgemeinheit. (Dies gilt übrigens auch für die Extrempositionen Planwirtschaft versus freie Marktwirtschaft.)
Zum Begriff Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit hat nicht nur mit ökologischen Zielen, also Umweltverträglichkeit, zu tun, sondern auch mit sozialer und mit ökonomischer Nachhaltigkeit (Quelle: Deutscher Projektschlussbericht Arbeit & Ökologie).
a) Ökonomische Nachhaltigkeit
Zur ökonomischen Nachhaltigkeit gehören:
- Funktionsfähigkeit des Wirtschaftssystems
- Vollbeschäftigung und soziale Sicherung (hat offenbar mit Umverteilung von Arbeit zu tun)
- Ökonomische Leistungsfähigkeit und Innovationskompetenz
- Intergenerationeller Ausgleich (Sicherung der Alterspensionen) sowie
- Internationale wirtschaftliche Stabilität
Wie diese ökonomischen Grundsätze mit den gegenwärtigen Trends der Globalisierung und den auch von der EU postulierten Freiheiten erreichbar sind, scheint mir diskussionswürdig.
b) Soziale Nachhaltigkeit
Zur sozialen Nachhaltigkeit gehören:
- Selbstbestimmte Lebensführung durch eigene Arbeit
- Umweltverträgliche Befriedigung der Grundbedürfnisse
- Chancengleichheit und gesellschaftliche Grundsicherung
- Soziale Innovationen und Arbeitsgestaltung
- Aktive gesellschaftliche Teilhabe im Rahmen von Nachhaltigkeitsstrategien
Man könnte auch sagen: Nachhaltige Entwicklung muss nicht nur umwelt-, sondern auch sozialverträglich sein, weil sie sonst mittelfristig mit Bürgerwiderstand zu rechnen hat. Zur Sozialverträglichkeit gehören (auch im Sinne der Agenda-21-Initiativen):
- Mitsprache bei der Entwicklung auf hoher Planungsebene wie auch bei der Durchführung konkreter Projekte
- Mitgestaltung durch eigene Initiativen zur Entwicklung (Planung und Vorbereitungsphase)
- Mitwirkung an der Durchführung von konkreten "nachhaltigen" Projekten
Die Forderung nach Sozialverträglichkeit muss nicht unbedingt zur Verhinderung von Projekten führen, aber unter Umständen müssen Randbedingungen und Ausgleichsmaßnahmen formuliert und durchgesetzt werden.
Zu Ausgleichsmaßnahmen kann ein Planungswertausgleich gehören. Es muss dabei aber sichergestellt werden, dass nicht nur die Grundbesitzer durch Ausgleichsmaßnahmen entschädigt werden, sondern auch die unmittelbar betroffenen Bewohner und Benützer.
c) Ökologische Nachhaltigkeit
Schließlich gehören zur ökologischen Nachhaltigkeit:
- Verbesserung der Umweltqualität
- Verringerung des Rohstoffverbrauchs
- Verringerung des Energieverbrauchs
- Schutz der biologischen Vielfalt und
- Risikovermeidung für Mensch und Umwelt
Die Verbesserung der Umweltqualität ist heute ein anerkanntes Ziel, dessen Zielerreichungsgrad durch öffentliche Maßnahmen und öffentliche Meinungen immer größer wird. Auch Naturschutz und Risikovermeidung sind zumindest in den industrialisierten Ländern zur Selbstverständlichkeit geworden.
Hingegen wird die Notwendigkeit einer Verringerung des Rohstoff- und des Energieverbrauchs im Städtebau nur in Ansätzen postuliert. Dementsprechend gering sind einschlägige Umsetzungen.
Letztgenannter Punkt wird daher ein vorrangiges Ziel des Verfahrens "Hot Spots - Neue Ufer" in Wien sein. Es sollte möglich werden, zumindest im Bereich der (Planungs-)Theorie - auch wenn es widersprüchlich klingt - "best practices" vorzustellen.
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